Das Bahnhof Buffet Oerlikon ist wohl eines der hässlichsten Lokale der Stadt. Der Bahnhof-Anbau ist ein pseudomodernes Verbrechen mit Fensterfronten, die an ein Einkaufszentrum in Hinterpfupfikon errinnern. Trotzdem, oder genau deshalb, kann man dem Oerliker Bahnhof Buffet einen gewissen trashigen Charme nicht absprechen.
Schon bevor man das Cafe betritt, staunt man darüber, dass morgens um diese Zeit mehr Gäste draussen an den Tischchen sitzen (-2 Grad!) als drinnen. Offenbar genehmigen sich hier ein paar Pendler ihren morgendlichen Kaffee zur Zigarette.
Sobald man drinnen ist, zeigt sich die Verwirrung des Inneneinrichters: Da sind klassische hässliche senfgelbe Tischtücher aus den 80ern, wie zu erwarten war. Aber in einer Ecke hat sich ein Hauch neues Jahrtausend eingeschlichen. Offenbar liess sich der Pächter von der Lounge-Seuche anstecken. Da stehen zwei niedrige Salontischchen mit tiefen, breiten Hockern hinter künstlichen Bastvorhängen am Fenster und verstauben. Man fragt sich, wer auf die Idee kommt, dass es Leute gibt, die gemütlich in der Ecke eines Bahnhofrestaurants abhängen.
Nun, ich schnappe mir ein «20 Minuten», da mir eine Pendlerzeitung hier als adäquate Lektüre erscheint und setze mich. Ich warte ca 5 Minuten, bis mir aufgeht, dass ich meinen Kaffee an der Bar holen muss. Die junge, hübsche Bedienung mit zwei Lippenpiercings ist freundlich, stellt einen Tasse Kaffee vor mich hin und verlangt 3.80. Ich staune. Ich hab nicht gewusst, dass man in Zürich noch einen Kaffee unter 4 Franken bekommt. Ich nehme den mittelmässigen Kaffee zurück an mein Tischchen und lasse den Blick umherschweifen. Da sitzt ein Grüppchen Handwerker, die vor der Arbeit noch schnell aufwärmen. Und an der Bar starrt ein einsamer Mann in sein Bierglas. Typisch Bahnhof.
Alle paar Minuten kommt eine Gruppe Schüler herein, um sich Kaffee und Gipfeli zum Mitnehmen abzuholen. Inzwischen inspiziere ich die Wände – und hier kommt das Erstaunlichste am ganzen Lokal:
Im Oerliker Bahnhof Buffet mit dem edlen Namen «buffet express» hängt Kunst an der Wand. Kunst, die man kaufen kann. Und ehrlich, sie ist nicht mal schlecht. Neben kleinen, modernen Wandteppichen hängt eine Installation, die ich mir durchaus auch ins Wohnzimmer hängen würde, wäre ich an Kunst interessiert. Ich könnte mich natürlich nach dem Künstler erkundigen, aber irgendwie lasse ich das Geheimnis der Kunst im Bahnhofbuffet lieber unangetastet. So bleibt ein Hauch von Almodóvars Absurdität in der Atmosphäre.
Und ehrlich, wer will schon wissen, ob die Tochter der Schwägerin des Lieferanten des Besitzers die Kunstschule besucht hat?